Alexander Rassmann hat zusammen mit seinem Kollegen Wolf-Rüdiger Katzer auf dem Basler Tag der AVV-Praxis 2024 einen Überblick über die Haftung von Eisenbahnverkehrsunternehmen und Wagenhaltern und der ECM Funktionen gegeben. Die Zuhörer waren teilweise überrascht über den Umfang der Haftung und die Besonderheiten im grenzüberschreitenden Verkehr. Ich dachte, dies könnte für Sie von Interesse sein. Ich danke Alexander Rassmann für die Beantwortung der Fragen zu seinem Vortrag. Für Rückfragen erreichen Sie ihn unter
Alexander.Rassmann@dva.net
Alexander, Du bist Experte für Haftpflichtversicherungen im Eisenbahnverkehr. In Basel lautete der Titel deines Vortrags "Immer noch unterschätzt!" Was hast Du damit gemeint?
Ich erlebe oft, dass Güterbahnen und Halter, aber auch ECM das Thema Haftpflicht und Versicherung unterschätzen. Viele Akteure kennen schlicht die Haftungsrisiken ihrer Tätigkeit nicht. Und darunter sind finanziell echt bedeutsame Risiken. Letztendlich können alle Akteure im Eisenbahnverkehr inklusive der Werkstätten schwere Unfälle mit 9-stelligen Schadensummen verursachen, wie zuletzt im Gotthard-Basistunnel geschehen.
Für mich ist das kaum zu glauben, der Gesetzgeber schreibt doch vor, dass die Akteure eine Haftpflichtversicherung brauchen - als notwendige Voraussetzung, um im Markt Leistungen anbieten zu können?
Das stimmt, in Deutschland verpflichtet das Allgemeine Eisenbahngesetz,
Eisenbahnverkehrsunternehmen
(EVU),
Eisenbahninfrastrukturunternehmen
(EIU) und
Halter von Eisenbahnfahrzeugen
, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Diese Versicherung deckt Personen- und Sachschäden ab, die durch den Betrieb einer Eisenbahn verursacht werden. In Österreich und der Schweiz besteht eine Pflichtversicherung nur für EVU und EIU, nicht aber für Wagenhalter. Hier bildet Deutschland tatsächlich die Ausnahme in Europa. Es handelt sich aber immer nur um Mindest-Deckungssummen.
Über welche Deckungssummen sprechen wir?
In Deutschland beträgt die vorgeschriebene Deckungssumme 20 Mio. EUR, die zweimal jährlich zur Verfügung stehen muss. In Österreich sind es 10,5 Mio. EUR, auch zweimal jährlich und in der Schweiz sind es 100 Mio. CHF, die neuerdings ebenfalls zweimal jährlich zur Verfügung stehen müssen. In anderen europäischen Ländern gelten wieder andere, teils höhere, teils niedrigere Summen. Dies zeigt, dass es nicht einfach ist, das Schadenrisiko beim Betrieb einer Eisenbahn richtig zu beziffern.
In Deinem Vortrag hast Du gesagt, es gibt weitere Haftungsrisiken, die mit den gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherungen nicht abgedeckt sind - welche sind das konkret?
Zunächst ist zwischen der Deckungssumme der Versicherung und der Haftung zu unterscheiden. Die gesetzliche Vorgabe einer Pflichtversicherung bedeutet ja nicht, dass die Haftung eines Unternehmens auch bei genau dieser Summe endet. Insofern ist es ratsam, sich beim Einkauf der Versicherungssumme nicht nur an den Pflichtsummen zu orientieren, sondern auch am tatsächlichen Risiko im Rahmen des eigenen Risikomanagements. Denn eins ist klar; alle am Eisenbahnbetrieb Beteiligten können schwere Unfälle und Schäden verursachen, die weit über die Pflichtsummen hinausgehen.
Mein Rat lautet hier, ...
...
...
+++ dies lesen nur Mitglieder der
Liga der AVV Experten
...
Bisher haben wir nur von Güterbahnen und Haltern gesprochen, was aber ist mit den ECM-Funktionen? Brauchen die auch eine Versicherung?
Ja, vor allem
Werkstätten
benötigen einen ausreichenden Versicherungsschutz. Wie der Unfall im Gotthard Basistunnel unabhängig von den laufenden Untersuchungen zeigt, können grundsätzlich auch Werkstätten für Eisenbahnunfälle verantwortlich sein. In diesem Fall müssen auch Werkstätten ihr Risikomanagement und die abzuschließenden Versicherungssummen an den geltenden Pflichtversicherungssummen oder sogar darüber ausrichten. Dies gilt übrigens auch für mobile Instandhalter.
Die
beauftragenden EVU und Wagenhalter
sollten sich auch interessieren, ob die von ihnen beauftragten Werkstätten ausreichende Versicherungssummen vorhalten. Es ist nämlich so;
...
...
+++ dies lesen nur Mitglieder der
Liga der AVV Experten
...
Was empfiehlst du abschließend den Wagenhaltern und ECM bezüglich des Versicherungsschutzes?
Mein dringender Rat ist, das Thema Haftung und Versicherungsschutz ernst zu nehmen und gemeinsam mit einem kompetenten Partner die Risiken individuell zu analysieren und den Versicherungsschutz darauf abzustimmen. Einfache Lösungen funktionieren hier nicht oder können im Schadensfall oder bei einer Betriebsprüfung zu bösen Überraschungen führen. Nur mit durchdachten, Compliance-orientierten Lösungen lassen sich unerwartete finanzielle Belastungen im Schadensfall vermeiden.
Alexander, vielen Dank für dieses Interview!