Thilo Richter
ist Inhaber und Geschäftsführer des Karlsruher Start-ups
aicorn,
das mit Kompetenz und Software Know-How den Güterverkehr digitalisiert. Mit Daten kennen er und sein Team sich gut aus gut aus, sie haben z.B. schon Steuergeräte für High-Speed Züge entwickelt. Seit Sommer 2024 widmet Thilo seine Aufmerksamkeit ganz der Digitalen Automatischen Kupplung – DAK. Hier testet er Komponenten im Auftrag von
Deutsche Bahn, Dellner
und
Analog Devices
mit zum Teil überraschenden Ergebnissen. Ich habe gedacht, diese Einblicke können auch die Leser des AVV-Newsletters interessieren.
Thilo – vor drei Jahren hast Du einen Vortrag über Diagnosedaten auf Lokomotiven gehalten. Heute sprechen wir über die Digitale Automatische Kupplung – DAK. Ist die DAK sozusagen ein Nebenerwerb für Dich oder ist es etwas Ernstes?
Also im Nebenerwerb erzeuge ich erstklassiges Olivenöl. Auf unserem Olivenhain in Nordwestspanien stehen knapp 800 Bäume, die ich mit Familie und Freunden kultiviere.
Und meine Arbeit für die DAK ist alles andere als ein Hobby. Wobei, Spass und Herzblut habe ich an der DAK auch! Denn die DAK ist
der
Schlüssel zur Digitalisierung des Schienengüterverkehrs. Mit unseren Versuchsreihen und Testverfahren tragen wir dazu bei, die Branche schneller, effizienter und sicherer zu machen. Dabei sehe ich hier nicht nur einzelne Projekte, sondern die Chance, die Zukunft des Schienengüterverkehrs insgesamt mitzugestalten – für Kupplungshersteller, Lok- und Waggonvermieter sowie EVU und ECM.
Die DAK ist ein Anwendungsgebiet, bei dem wir unsere Expertise in der Softwaresystem-Entwicklung und der Kommunikationstechnologie einbringen können – zum Beispiel bei der Implementierung von Zugkommunikation.
In Zeitungsartikeln geht es bei der DAK häufig um die Finanzierung. Bei Dir geht es um Technik – welche technischen Fragen der DAK beschäftigen Euch?
Finanzierung ist klar ein wichtiges Thema. Wir von
aicorn
konzentrieren uns aber darauf, worin wir Experten sind. Auf die Technik. Das bildet für mich die Basis für alles Weitere. Die Technik – egal ob analog oder digital – muss robust und zuverlässig funktionieren.
Aktuell konzentrieren wir uns auf die Entwicklung der DACCU – dem Gehirn der Kupplung. Die DACCU ist nicht nur ein Steuergerät, sondern das intelligente Bindeglied zwischen der mechanischen Kupplung und den anderen digitalen Systemen auf dem Zug. Die Technologie an sich ist nicht neu. Viele dieser Systeme und Steuerungsansätze kennen wir aus dem Personenverkehr, wo sie seit mehr als zehn Jahren erfolgreich im Einsatz sind. Der Unterschied? Nun müssen diese Technologien an die harten Einsatzbedingungen des Schienengüterverkehrs angepasst werden. Extreme Temperaturschwankungen, hohe mechanische Belastungen und die Notwendigkeit, unter diesen Bedingungen präzise und stabil zu arbeiten, sind zentrale Herausforderungen.
Robustheit und Zuverlässigkeit sind zentrale Anforderungen. Was passiert z.B. bei kurzzeitigem Ausfall von Sensoren, kurzzeitigem Spannungseinbruch, Unterspannung, Überspannung, starken Schockbelastungen etc. Das System muss immer noch funktionieren oder zumindest in einen sicheren Zustand übergehen. Um all dies zu testen, verwenden wir zwei Testmethoden: erstens direkt auf dem Zug und zweitens im Labor. Der Vorteil des Tests auf dem Zug ist der reale mechanische Einfluss, der im Labor kaum nachgestellt werden kann. Dafür ist das Labor wesentlich effizienter, um die oben beschriebenen Szenarien zu testen (z.B. wie gesagt: Sensor fällt kurz aus). Vieles davon kann im Vorfeld automatisiert getestet werden. Im Labor testen wir in Dauerschleifen Entkopplungsvorgänge mit veränderten Parametersätzen (also mit Störung, ohne Störung usw.). Letztendlich ist das Labor der erste Validierungsschritt, um die Funktionen nachzuweisen.
Gibt es noch weitere technische Klärungsbedarfe – wer kümmert sich um diese/ wer ist eigentlich der Auftraggeber für Eure Testreihen?
30 Jahre alten Lokomotiven mit der DAK nachzurüsten und sie zuverlässig arbeiten zu lassen, ist eine große Herausforderung. Eine bezahlbare und leicht integrierbare Lösung für die Lokomotiven zu finden, ist technisch alles andere als trivial. Und ohne Loks kein Güterverkehr.
Was das Testen betrifft, so haben verschiedene Auftraggeber ein Interesse daran, Komponenten und Software schnell und mit höchster Präzision zu testen. Für
Dellner
– einer der größten Hersteller von Kupplungen – ist entscheidend, seine Produkte durch gründliche Tests zu verbessern und damit ein hochwertiges Gesamtsystem anbieten zu können. Die
Deutsche Bahn
legt Wert auf effiziente und kostengünstige Testverfahren, um zeitnah valide Ergebnisse zu erhalten.
Analog Devices
wiederum muss sicherstellen, dass ihre Mikrochips den strengen Anforderungen der DAK entsprechen, was präzise und umfangreiche Tests voraussetzt.
Gleichzeitig investieren wir bei
aicorn
selbst in diese Entwicklungen. Denn wir glauben an das Potenzial der DAK. Das gibt uns die Chance, ein richtig gutes Steuergerät als Schlüsselkomponente zu positionieren – perfekt integrierbar in bestehende mechanische Kupplungen.
Was findet Ihr bei Euren Testreihen konkret heraus?
Unsere Tests liefern entscheidende Erkenntnisse in Bezug auf "Safety" und "Reliability". Ein zentraler Aspekt ist ,…
…
+++ dies lesen nur Mitglieder der
Liga der AVV Experten
…
Was für Schlüsse nimmst Du aus Euren Testreihen sonst noch mit für die anstehende DAK Migration – was möchtest Du unseren Lesern mitgeben?
MACHEN ist wie WOLLEN, nur krasser! Denn eigentlich ist vieles schon da. Dazu müssen wir jetzt testen, testen und nochmals testen. Und in kurzen intensiven Entwicklungs-Sprints arbeiten. Also Testen – Lernen – Entwickeln – Testen usw…. Theoretische Pläne reichen nicht aus – die Technik muss im realen Betrieb erprobt werden.
Die Industrieautomation und der Personenverkehr bieten uns erprobte Lösungen, die wir übertragen können. Die Entwicklung des Zentralen Steuergerätes (ZSG) für den ICE war beispielsweise um ein Vielfaches komplexer
als die Entwicklung der DAK
. Was es bei der DAK schwierig macht, ist…
…
+++ dies lesen nur Mitglieder der
Liga der AVV Experten
…
Deshalb unsere These:
Die robusteste und kosteneffizienteste Lösung, die die absolute Minimalanforderung erfüllt, wird sich im ersten Schritt durchsetzen.
Diese Lösung kann ich dann später stückweise weiterentwickeln (Stichwort: Produktgenerationen). Denn Minimalismus bedeutet nicht Verzicht auf Qualität, sondern Fokussierung auf das Wesentliche – und damit die Möglichkeit, schneller erste Fakten zu schaffen. Wer jetzt testet, kann schneller lernen und verbessern. Gerade bei einem so komplexen System wird nicht die erste Version das gesamte Funktionsspektrum abdecken können. Der Fokus muss darauf liegen,
erst den ersten Schritt zu gehen – und dann die Evolution stattfinden zu lassen.
Oder würde jemand beim Hausbau mit dem Dach und den automatischen Jalousien beginnen, bevor das Fundament steht?
Thilo ich danke Dir für diesen Einblick in die technische Dimension der DAK!
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