Guten Tag Christoph Gabrisch,
es war etwas Besonderes, dass wir im Februar zum ersten Mal einen kniffligen AVV-Fall nicht in 90 Minuten zu einem einvernehmlichen Abschluss bringen konnten. Wir werden den Februar-Fall daher für die Sitzung am 21. März 2024 neu auflegen. Wir wünschen für die Märzsitzung "Guten Appetit" und gerne auch die Teilnahme ausgebildeter Juristen in der Runde! Näheres siehe unten.
Es ist auch etwas Besonderes, wenn die Europäische Eisenbahnagentur - ERA eine "Clarification Note" herausgibt, um das Nebeneinander von AVV-Regelungen und europäischem Eisenbahnrecht zu klären. Besonders ist es, wenn diese "Clarification Note" nichts klärt, sondern neue Fragen aufwirft. So zum Beispiel beim Schweizer Bundesamt für Verkehr - BAV. Nicht ohne publizistischen Stolz erlaube ich mir, in diesem Newsletter das Schreiben des BAV an die ERA mit Rückfragen zur Clarification Note zu verlinken. Wer dieses Schreiben liest, wird danach die Bedenken des BAV am aktuellen AVV besser verstehen und sich qualifiziert an der Diskussion "Anpassungsbedarf des AVV ja oder nein" beteiligen können. Prädikat: Lehrreich!
Ich hoffe, es ist auch diesmal Interessantes dabei für Sie. Wie immer freue ich mich über Anregungen, Lob oder Kritik an
info@bahnverstand.ch
.
Ihr
Christoph Gabrisch - BahnVerstand
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Konformität des AVV mit der CSM-SMS- und ECM-Verordnung - Schreiben des BAV an ERA vom 29. Februar 2024
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Wie in der Ausgabe vom 20. Dezember 2023 berichtet, hat die Europäische Eisenbahnagentur ERA Ende November 2023 still und leise ihre "
Clarification Note
" veröffentlicht. "Still", weil es keine Begleit-Kommunikation der ERA gab und "leise", weil das Dokument auf der ERA-Webseite weder über die Suchbegriffe "clarification" noch "GCU" gefunden werden kann. Man muss schon den o.g. Link besitzen, um das Dokument zu finden.
Das Schweizer Bundesamt für Verkehr - BAV hatte diesen Link (übrigens ebenfalls nur über Umwege) erhalten. Nach der Lektüre der Clarification Note hatte das BAV weiterhin Fragen zum Sachverhalt. Meiner Anfrage zur Akteneinsicht nach dem Schweizer Öffentlichkeitsgesetz hat das BAV entsprochen und ich darf im Folgenden über das entsprechende Schreiben des BAV an die ERA vom 29. Februar 2024 informieren.
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Bundesamt für Verkehr BAV in Ittigen, Ansicht aus südöstlicher Richtung Copyright A. Buser, April 2014
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Warum lege ich Ihnen die Lektüre besonders ans Herz? Man kann den 6-seitigen Brief (in englischer Sprache - sorry) nicht lesen, ohne viel über die konkreten Bedenken des BAV zum heutigen AVV zu erfahren. Das Fazit des BAV lautet - übersetzt:
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"Selbst unter Berücksichtigung der Clarfification Note entspricht der AVV mit seinen technischen Anlagen aus unserer Sicht nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Die Verantwortlichkeiten zwischen Halter, ECM (1-3), den Werkstätten (ECM 4) und den EVU werden unzulässig vermischt..
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Wer den Brief liest, wird verstehen, dass es dem BAV
um viel mehr geht als nur um die Frage, an wen die AVV-Werkstatt die Betriebsfreigabe sendet
und wer die Wiederinbetriebnahme nach einer AVV-Reparatur macht
. Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Branchenvertreter diese Argumentation des BAV kennen, um bei der Frage "Was muss am AVV geändert werden und warum?!" auf der Höhe der Fakten zu sein. Eine autorisierte Kopie des Schreibens ist hinter dem blauen Button unten verlinkt.
Wer den BAV-Brief an ERA liest, wird über Anlage 9 AVV u.a. lernen, dass aus Sicht BAV:
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die
Zuguntersuchung gemäss Anlage 9
keine vertiefte Inspektion
im eigentlichen Sinn ist.
-
ein "Wagenmeister" mit seiner visuellen Kontrolle am Wagen
unmöglich
jeden Wagen auf das Vorhandensein aller
Schadcodes aus Anlage 9 prüfen kann.
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Anlage 9 AVV festlegt, dass der «Wagenmeister»
weitere sicherheitsrelevante Punkte
(also über die rund 570 Schadcodes hinaus) beanstanden darf. Obwohl dies wichtig und richtig ist, wird dadurch
ein Qualitätsanspruch suggeriert, der nicht erfüllt werden kann.
-
Mit der heutigen Anwendung der Anlage 9 AVV werden die Anforderungen der ECM-DVO durch die ECM nicht eingehalten, denn prinzipiell können keine
spezifischen Betriebs- oder Instandhaltungsvorgaben
einer ECM
in die Anlage 9 AVV einfliessen.
Mit Blick auf Instandhaltungsarbeiten auf "
Level 2
" der ERA-Skala erfahren wir u.a., dass nach Einschätzung des BAV:
-
Wenn Level 1 nicht der ECM-DVO unterliegt, müssen die nachfolgenden Level im Umkehrschluss
der ECM-DVO zwingend unterstellt
sein,
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ein AVV-EVU übt im Falle eines Unterwegsschadens ab Level 2 Tätigkeiten aus, die in den Anwendungsbereich der ECM-DVO fallen. Es ist jedoch nicht klar, ob die AVV-EVU für diese Tätigkeiten eine
ECM-Zertifizierung benötigen
oder ob sie den Anhang III der Eisenbahnsicherheitsrichtlinie 2016/798 anwenden müssen.
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Zudem ist auf Verordnungsseite nicht geklärt, wie - und durch wen - die
Überwachung der AVV-Werkstätten als Lieferanten
zu erfolgen hat.
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Auch fehle im AVV ein Verfahren für die
betriebsnahe Instandhaltung
(z.B. das präventive Pufferschmieren)
Mit Blick auf Instandhaltungsarbeiten auf "
Level 3
" der ERA-Skala stellt das BAV u.a. fest:
- der Auftrag für die Werkstatt muss gemäss ECM DVO von der ECM 3 erteilt werden.
- Ist der Wagen nicht lauffähig, muss die ECM dem EVU die nötigen Instruktionen erteilen.
- es obliegt (eigentlich) dem ECM-2 festzulegen, welche weiteren Prüfarbeiten anlässlich des Werkstattaufenthaltes durchzuführen sind. Das findet in der Praxis bei AVV-Reparaturen nicht statt.
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Bei der
Wiederinbetriebnahmebescheinigung
sollte auf Verordnungsebene noch unterschieden werden in Betriebseinschränkungen des Wagens (z.B. Reduzierung der Geschwindigkeit) und andere Nutzungsbeschränkungen (z.B. defekter Stützbock).
- Die Frage bleibt offen, wie die Information über eine Betriebseinschränkung die nachfolgenden EVU in der Transportkette erreicht.
- Die Arbeitsmodule der Anlage 10 AVV bestimmen keine Regelverfahren für die Überführung von Wagen mit eingeschränkter Lauffähigkeit (Fahrt zu Entlad, Werkstatt).
Ein weiteres Manko des AVV sei das
Fehlen der normativen technischen Vorgaben;
in keiner der technischen AVV-Anlagen werden die Vorgaben, die bei der Konstruktion zugrunde lagen oder Herstellerangaben transparent ausgewiesen. Die technischen AVV-Anlagen entstammen dem historischen Erbe des RIV, also einer Zeit, als solche Grundlagendokumente nicht gefordert waren. Im Ergebnis können Aufsichtsbehörden, Güterbahnen oder Infrastrukturbetreiber den
AVV nicht in ihre eigenen Risikobewertungsverfahren
einfliessen lassen.
Einen Wink gibt das BAV am Schluss; sollte nicht bald eine gesetzeskonforme Lösung für den Sektor gefunden werden,
"
...
müssen wir als NSA bei den durch uns überwachten Unternehmen die getreue Umsetzung der ECM-DVO einfordern, was zwangsläufig zu einem Austritt aus dem AVV führen muss.
"
Der Brief öffnet sich durch Anklicken des blauen Buttons
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und in der Fusszeile jeder Newsletter-Ausgabe.
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Schweizer Fachtagung Eisenbahnsicherheit 2024
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Am 29. Februar 2024 fand im Volkshaus Basel die erste Schweizerische Fachtagung für Eisenbahnsicherheit statt. Wir nahmen das Zusammenwirken von Behörden, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Infrastrukturbetreibern und Fahrzeughaltern / ECM in den Blick. Namhafte Vertreter der jeweiligen Rollen schilderten, wie sie die Zusammenarbeit erleben und welche Stolpersteine sie aktuell sehen.
Deutlich wurde, dass das Zusammenspiel zwischen dem Sicherheitsverantwortlichen für das Fahrzeug und dem Sicherheitsverantwortlichen für den Zugbetrieb im Güterverkehr deutlich komplizierter ist als im Personenverkehr. Die Zahl der unabhängigen Akteure ist im Güterverkehr grösser und die ECM sehen ihre Fahrzeuge und deren technischen Zustand einfacht viel seltener als die ECM im Personenverkehr, die zudem häufig organisatorisch mit dem EVU verbunden sind. Zudem werden im Güterverkehr die Rechtsbeziehungen zwischen Bahn und ECM durch den Allgemeinen Wagenverwendungsvertrag - AVV ergänzt. Hier übernimmt der Wagenhalter – freiwillig – die Rolle der ECM gegenüber der Bahn, was neue Fragen in der operativen Zusammenarbeit aufwirft.
Das Programm bot darüber hinaus Einblicke in die „Sicherheit als Organisationskriterium“ (Rivera), in die „Haftungsbeziehungen zwischen ECM, EVU und EIB“ (Freise) und in die erstaunlich engen Wechselbeziehungen zwischen Versicherungswirtschaft und Bahnen (Spicher).
Für Ihren Beitrag für die gelungene Veranstaltung danke ich den Referenten
Roger Schüpfer
, Lead Auditor BAV,
Mario Rivera
, Leiter Qualität und Sicherheit, Cybersecurity und Nachhaltigkeit SBB Personenverkehr,
Andreas Mack
, Leiter Sicherheit und Qualität SBB Cargo International, Professor Rainer Freise,
Bruno Spicher
, Inhaber der Risk-Agent GmbH, Roland Meister, Leiter Überwachung der SBB Infrastruktur,
Roland Rieder
, Leiter Sicherheit BLS Cargo, Thomas Bärlocher, Leiter Flotte Rollmaterial Südostbahn, den engagierten Teilnehmern sowie dem gastfreundlichen Team des Volkshauses Basel.
Am Ende der anregenden Veranstaltung sprachen sich Publikum und Podium für eine Neuauflage aus, die für den
27. Februar 2025
wieder im Volkshaus Basel geplant ist. Wenn Sie sich diesen Termin schon einmal im Kalender vormerken wollen...
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Darum geht es im kniffligen AVV-Fall im März 2024
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Nach dem Spiel ist vor dem Spiel - (
Josef "Sepp" Herberger).
Wir legen im März den Februar-Fall ("Rangierstoss") erneut zur Diskussion auf. Wir sind im Februar erstmals nicht zu einer einvernehmlichen Einordnung des Falls gekommen. Was war so knifflig? Der Fall war auf gleich zwei Ebenen knifflig:
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Sind die in der Halterwerkstatt entdeckten
Entgleisungsschäden
ausreichend belegt und dem Auflaufstoss zuzuordnen?
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Wenn ja,
welcher Schaden genau
ist hier dem Halter entstanden an den weitgehend abgefahrenen Radsätzen?
Ich wäre froh, Sie könnten sich in der März-Ausgabe unseres kniffligen Falls einbringen und zusätzlich einen befreundeten Bahn-Juristen mitbringen. Die Online-Diskussion über Microsoft Teams findet statt am 21. März 2024 um 15:30 Uhr -17:00 Uhr. S
chon jetzt den Termin im Kalender eintragen
(grauen Button klicken):
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Der Link zur Einwahl befindet sich oben im Vorprotokoll.
Wer das Vorprotokoll öffnen will, klickt hier auf auf den blauten Button oder auf das pdf-Dokument am Ende des Newsletters.
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Siegburger Erfahrungsaustausch Güterwagen-Instandhaltung ist AUSFALL
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Schweren Herzens…
…haben sich Podium und Veranstalter entschieden, die Tagung am 13. und 14. März 2024 zur Güterwagen Instandhaltung. Grund sind die fehlenden Anmeldungen von Vertretern aus der Halterschaft. Wegen dieser Lücke hätten wir die Grundidee unseres Austausches „über Unternehmensgrenzen hinweg“ nicht umsetzen können.
Wir haben uns darauf verständigt, für die Themen der Güterwagen Instandhaltung einen besonderen zweiten Anlauf zu nehmen; wir möchten sie klug kombinieren mit den Themen der Lokomotiven Instandhaltung, bei der Siegburger Tagung am 13. und 14. November 2024 wieder im
Kranz Parkhotel GmbH
.
Wir glauben, dass diese Zusammenlegung aus fachlichen Gründen sowie mit Blick auf den potentiellen Teilnehmerkreis doppelt interessant ist. Ich will sie über die Planung auf dem Laufenden halten.
Eine
Bitte habe ich zum Schluss an die Leser aus der Halterschaft;
ich würde mich sehr freuen, über eine Rückmeldung von Ihnen, was ihre Teilnahme in diesem Jahr verhindert hat. Gerne jetzt gleich per E-Mail an
tagungen@bahnverstand.ch
. Danke dafür!
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Auch das noch
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Warum hat die Schweiz einen so guten öffentlichen Verkehr? Liegt es an einer bahnfreundlich gestimmten Bevölkerung, an einem kompetenten und vorausschauenden Bundesamt für Verkehr (BAV) oder einfach daran, dass die Schweiz die schönsten Bushaltestellen der Welt hat?
Auch bei Regenwetter eine Augenweide: Haltestelle Beckenried-Post am Vierwaldstättersee mit einem Bus der Linie 311 nach Stans.
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Engelbergstrasse 24, 4600, Olten
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